Als Mitte Oktober 2017 im Zuge des mittlerweile allseits bekannten Weinstein-Skandals die #meetoo-Debatte angestoßen wurde, nahm ich mit aller Vehemenz und Überzeugung daran Teil. Ich diskutierte. Ich war Feuer und Flamme. Dafür, dass wir endlich über Sexismus am Arbeitsplatz und im Alltag sprachen.
Geht es nach Svenja Flaßpöhler, Chefredakteurin des „Philosophie Magazins“, dann darf ich natürlich kritisch sein. „Um es klar zu sagen: Dass Frauen sich gegen handfeste männliche Gewalt zur Wehr setzen, gegen die sie schon rein körperlich chancenlos sind – und sei es nachträglich durch ein „metoo“ – ist natürlich begrüßenswert“, räumt die Journalistin in einem Interview mit dem Magazin „Cicero“ ein. Ihre Kritik bezieht sich stattdessen darauf, dass sich die Initiative in den vergangenen Wochen und Monaten so rasant ausgedehnt hat, dass sie sich mittlerweile auf alle möglichen Situationen bezieht, in denen Frauen „durchaus Handlungsoptionen hätten, aber sie nicht nutzen.“ Der Diskurs implementiert eine Lebenswelt, in der Frauen systematisch unterdrückt werden. Das wiederum macht uns klein, anstatt uns zu stärken. So die Haltung von Svenja Flaßpöhler.
#metoo drängt uns Frauen in eine Opferrolle
Ich bin offen gestanden richtig dankbar, dass ich auf dieses Interview gestoßen bin. Denn Flaßpöhler verleiht meinen Gefühlen Worte. Gefühle, die bereits seit einiger Zeit in mir schwelen, die ich mich aber lange nicht getraut habe, zu sagen – aus Sorge vor dem Vorwurf, ich sei anti-feministisch eingestellt und würde mich nicht für diese, unsere Frauenwelt einsetzen. Dabei tue ich doch genau das, wenn ich reflektiert über #metoo nachdenke. Mein Ansatz: Die Diskussion ist zu undifferenziert geworden. Und sie hat sich vermischt. Krasse Fälle der Vergewaltigung werden mit anzüglichen Bemerkungen in einen Topf geworfen. Natürlich muss struktureller Sexismus bekämpft werden. Aber der #metoo-Diskurs drängt uns Frauen, so meine Erfahrung, kategorisch in eine Opferrolle. Und das ist etwas, was ich als Feministin in jedem Fall ablehne.
„Ich will andere Frauen dazu ermutigen, selbst aktiv zu werden.“
Denn: Wir Frauen müssen auch selbst dafür einstehen, unsere Begehren in dieser Gesellschaft durchzusetzen. Ansonsten reduziert sich die feministische Kritik auf eine Kritik an dem Mann. Das aber wiederum ist unemanzipiert. Denn das hieße, dass das weibliche Begehren ein passives ist – und dass die Männer dafür sorgen müssten, uns Frauen den gleichen Stellenwert beizumessen. Damit werden erneut patriarchale Denkmuster reproduziert. Wir aber müssen selbst aktiv für uns einstehen und eine aktive, offene, weibliche, potente Sexualität integrieren. Ich will andere Frauen zu ermutigen, selbst aktiv zu werden und sich nicht als Opfer zu platzieren. Das ist mein innerstes Anliegen.
Männerhass ist nicht feministisch
Es nervt mich aber noch etwas anderes. Nämlich die Sensationsgier, die durch den öffentlichen Diskurs zutage gefördert wurde. Erschrocken stellte ich (auch in meinem Bekanntenkreis) fest, mit welch faszinierten Entsetzen über unterschiedlichste Fälle gesprochen wurde. Eifrig wurde das Grauen, das zahlreichen Frauen widerfahren ist, aufgenommen und wiedergegeben. Der eigentliche Gegenstand trat dabei in den Hintergrund. Denn: Je mehr man sich echauffiert, desto weniger ist eine ernsthafte Diskussion möglich. Kaum verwunderlich (aber alles andere als begrüßenswert), ist da die Tatsache, dass plötzlich im Rahmen der Debatte auch Wörter fielen wie: „Hysterie“, „Hetzkampagne“ oder „Männerhass“.
Männerhass? Großer Gott! Das hat nichts mit Feminismus zu tun. Oder um es in den Worten von Svenja Flaßpöhler zu sagen: „Eine potente Frau wertet die Sexualität des Mannes nicht ab, sondern die eigene auf.“ Und um meine eingangs gestellte Frage zu klären: Aus eben diesen Gründen ist es absolut okay, als gestanden, mündige Frau auch kritisch mit dem Hashtag-Feminismus umzugehen.
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Dieser Artikel ist zuerst bei O Diaries erschienen.