„To travel is to discover that everyone is wrong about other countries“, das soll einmal Aldous Huxley, gesagt haben, der alte Visionär. Ich glaube, ich war noch nie so überrumpelt von einem Land, über das ich ganz viel zu wissen glaubte. Tel Aviv wird von den Einheimischen auch „The Bubble“ genannt, weil es sich so unterscheidet vom Rest des von Krieg und territorialen Konflikten zerrütteten Landes. Gerade jetzt kommt mein Reisetipp vielleicht zur falschen Zeit, ich möchte euch meine Erlebnisse jedoch nicht vorenthalten.
Ankunft in Tel Aviv: Israels weltoffene Insel
Angekommen am Flughafen Ben Gurion warten wir mit gezückten Reisepässen in der Schlange darauf, der israelischen Beamtin einige Fragen zu unserem Aufenthalt zu beantworten. Und weil ich so ein Glückspilz bin, dauert unsere Einreise dann auch gleich drei volle Stunden – ich erspare euch die Details. Nur gleich zu Beginn ein Tipp: Kommt am besten mit einem ganz neuen Pass an, wenn ihr sicher gehen wollt, das ausgiebige Tête-à-tête mit israelischen Grenzbeamten zu umgehen. Also, nach ein bisschen Geheule und mit leichter Verspätung haben wir es endlich geschafft und können den ersten Abend mit Hund (geliehen) und einer steifen Brise an Tel Avivs Küste verbringen.
Ich hatte so meine Vorstellungen von Israel, dank jahrelanger Medienberichterstattung über die politische Lage des Landes, mit der wir ja alle quasi aufgewachsen sind. Ein Reiseziel wurde es für mich erst kürzlich, als Freunde von mir begeistert davon erzählten: „Tel Aviv ist wie Berlins kleine heiße Schwester!“ Große Erwartungen werden schnell enttäuscht, sagt man, aber nicht was diese Stadt angeht. Tel Aviv ist tatsächlich wie Berlins kleine, heiße Schwester … Nur mit kilometerlangem Strand, unglaublich netten und wunderschönen Menschen, mediterranem Klima und, tja, horrenden Preisen. Das Stadtbild gibt so einiges her – abgerockter Bauhausstil neben postkolonialen Bauten und modernem Hochhaus-Chic meets junge DIY-Attitüde – und das verlorene Lustwandeln in Tel Aviv wird zur Tagesaufgabe. Am besten mit einem Latte To Go in der einen und einem Hund in der anderen Hand. Die Tel Avivians lieben Hunde und ihr könnt euch auf die nettesten Bekanntschaften freuen, wenn ihr selbst einen dabei habt. Und: Macht unbedingt alles zu Fuß, die Stadt wird es euch danken!
Angesagt in Tel Aviv: Rothschild Boulevard, Neve Tzedek und Florentine
Nein, wir haben nicht im Hilton gewohnt. Wir sind ja keine alten Menschen. Und außerdem hasse ich das Gefühl, mich wie eine Touristin zu fühlen. Wir haben bei Freunden (mit Hund!) wohnen können, ganz in der Nähe des angesagten Rothschild-Boulevard, auf dem es sich herrlich unter den grünsten Bäumen der Welt schlendern und Kaffeetrinken lässt. Ein kleiner Pavillon an der Ecke, die sich der Boulevard mit der Herzl Street teilt, sei mein Tipp an euch. Der Boulevard führt euch direkt ins angesagte Neve Tzedek, ein Viertel, in dem die Avantgarde lebt und es das beste Eis der Stadt gibt. Danach vielleicht auf den Carmel Market, wenn euch Menschenmassen nichts ausmachen. Ein buntes Treiben unter dem Geruch feinster Gewürze, in dem man aufpassen muss, sich nicht zu verlieren. Tel Aviver Authentizität? Check. Ein weiteres Muss ist der Bohème-Stadtteil Florentine, etwas weiter im Süden. Passt auf, dass ihr in jedem Fall die Levinsky Street mitnehmt, die Straßen sind voll mit kleinen Läden, Bäckereien, Nuss-Verkäufern, Gewürzständen und anderen Delikatessen, die einen Besuch wert sind. Ein vorzügliches Mittagessen könnt ihr dann im jemenitischen Viertel nehmen, in dem ihr auf eurem Weg an zahlreichen kleinen Läden vorbeilauft, die vielerlei Leckeres anzubieten haben.
Sandstrände und arabische Geschichte: Tel Aviv hat viele Gesichter
Was nach einem absoluten Touri-Tipp klingt, ist die reine Wahrheit: Mindestens einen Tag müsst ihr an einem der goldenen Strände Tel Avivs verbringen. Checkt Neve Tzedeks Banana Beach aus, wenn ihr große Wellen und weißen Sand mögt. „Every Tel Avivian has their one favourite beach“, wurde uns erklärt. Das stimmt und die Strände sind proppevoll mit Einheimischen, die den Strandbesuch in ihren Alltag integrieren wie wir den Spaziergang im Park. Jaffa sei euch noch unbedingt empfohlen: Der älteste Teil Tel Avivs ist diese alte arabische Hafenstadt, in der ihr trotz des modernen Pulses der Stadt ihre uralten Geschichten hören könnt.
In Tel Aviv finden just große Friedensdemos statt, die den Dialog zwischen den verhassten Bevölkerungsteilen fordern. Vor allem junge Menschen sind dabei und verbalisieren das, was schon seit Jahren in Tel Aviv deutlich zu spüren ist: Wir wollen keinen Krieg, sondern Teil einer friedlichen Weltbevölkerung sein. In Tel Aviv scheint diese Botschaft angekommen, hoffen wir, dass es auch die Mächtigen verstehen.
Fotos: © Marie von der Heydt
Als Reiseführer ist die brandneue Auflage des englischsprachigen Lonely Planet (8. Auflage, Oktober 2015), sowie der fantastische alternative Online-Guide DIY Tel Aviv zu empfehlen.
