Dieser Beitrag enthält unbezahlte Werbung. Für die Berichterstattung erhielten wir die erwähnten Produkte freundlicherweise kostenfrei.
In der Welt des Parfums ist nichts mehr, wie es war: Während ein anständiges Duft-Haus früher seinen Sitz Paris oder wenigstens London haben musste und nur die Absolventen einer der elitären Ausbildungsstätten als „echte“ Parfumeure galten, ist Parfum jetzt Rock ’n’ Roll! Autodidakten, die in ihrem früheren Leben Designer, Schriftsteller oder Musiker waren, bringen neue Sichtweisen und Ideen ein und spannende Innovationen können heute auch aus Zürich, Mailand, Amsterdam oder Hintertupfingen kommen – oder eben Berlin.
von Helder Suffenplan [SCENTURY]
GEZA SCHÖN: REBELL HEART
Der Legende nach spazierte Geza Schön als Teenager in die Zentrale des Parfum-Entwicklers Haarman & Reimer in Holzminden und verkündete, er wolle lernen, wie man Parfums macht. Beeindruckt von dieser Chuzpe gab das Unternehmen dem jungen Mann eine Chance. Geza wurde zu einem einer der erfolgreichsten Mitarbeiter des Hauses und noch heute wird er gerne von großen Dufthäusern gebucht, doch er wollte mehr: 2006 gründete er sein eigenes Label und lancierte Molecule 01. Es besteht ausschließlich aus Iso-E-Super, einem Molekül, das in der Parfumerie eigentlich eher unterstützende Funktion hat. Einen synthetischen Riechstoff als Parfum verkaufen und darüber auch noch offen sprechen? Das war ein Skandal! Auch fast 10 Jahre später gibt es Parfumeure, die Geza Schön für diesen Tabubruch aus tiefstem Herzen hassen – was vielleicht auch mit dem sensationellen Erfolg des Parfums, also mit Neid, zu tun hat. Molecule 01 ist ein moderner Klassiker, den ich gerne mit Malewitschs schwarzem Quadrat vergleiche, einer monochromen Leinwand von 1913, die bei vielen Menschen auch hundert Jahre später noch Empörung auslöst: „Ein schwarzes Quadrat kann jeder malen!“ Mag sein – die Idee aber hatte Malewitsch. Molecule01 funktioniert und man hört von vielen witzigen und auch amourösen Begebenheiten, die seinen Trägern widerfahren sind. Wer sich überzeugen möchte, dass Geza Schön auch mit mehr als einer Zutat meisterlich umgehen kann, den erwartet mit Wode oder Kinski großes Kino.
www.escentric.com
URBAN SCENTS: Eine Pariserin in Berlin
Eine Parfumeurin zieht von Paris nach Berlin? für viele Menschen klingt das so, als würde ein Country-Sänger von Nashville nach Tokio oder ein Skirennfahrer von Garmisch-Partenkirchen nach Neapel ziehen. Aber Madame sucht das Abenteuer! Als passionierte Pilotin fliegt Marie Le Febvre um den Globus – den Steuerknüppel meist selber in der Hand. Auch ihr beruflicher Werdegang erforderte Zielstrebigkeit: An der berühmten Parfum-Schule ISPICA in Versailles biss sie sich durch das taffe Chemiestudium, und mehrere Jahre intensiven Trainings mit strengen Parfum-Meistern. Nach zehn Jahren in großen Dufthäusern kam der Moment, etwas Eigenes zu wagen. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Österreicher Alexander Urban, zog sie 2014 nach Berlin. In Schöneberg haben die beiden eine Art Creative Hub aufgezogen: Maries Labor ist verbunden mit der Galerie ihres Mannes, nebenan betreibt Alexander außerdem einen Showroom mit handgearbeiteten marokkanischen Fliesen – Qualität und Kreativität sind der rote Faden. Durch das klassische Training beherrscht Maire das Handwerk um ihre innovativen Ideen perfekt umzusetzen: Lost Paradise interpretiert das klassische Chypre-Thema mit Osmanthus und Gourmand-Noten ganz neu. Und mein Favorit Desert Rose zeigt die Blume der Blumen, wie man sie selten gerochen hat: frisch, aromatisch und sehr modern. Für Individualisten bietet Marie die Entwicklung von Signature-Düften an – eine intensive Reise zu sich selbst, die mehrere Monate in Anspruch nehmen kann.
APRIL AROMATICS: PREISGEKRÖNTE HARMONIE
Gründerin Tanja Bochnig ist der lebende Beweis, dass ein Studium an einer der wenigen Parfumschulen nicht der einzige Weg ist um mit einer Parfum-Marke erfolgreich zu sein. Hoch gelobt von Kritikern und heiß geliebt von zahllosen Fans wurde April Aromatics bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem bei den renommierten Arts and Olfaction Award, einem der wenigen wirklich unabhängigen Parfum-Wettbewerbe. Nach einer internationalen Model-Karriere und 20 Jahren in New York lebt sie nun wieder in ihrer deutschen Heimat. Ihren Weg zum Parfum fand Tanja über den Umweg ihrer Tätigkeit als Yoga-Lehrerin: Die enge Verbindung zwischen Atem und Geruchssinn war die Inspiration für die Entwicklung einer von ihr entwickelten neuen Yoga-Variante, dem AromaYoga. Der Schritt zu Düften war dann nicht mehr weit. April Aromatics verwendet ausschließlich natürlich Inhaltsstoffe – was technisch und kreativ eine echte Herausforderung darstellt, die Tanja aber mit Bravour meistert. Wer die April Aromatics-Range kennen lernen möchte, dem empfehle ich – natürlich passend zu unserem Thema – Unter den Linden, einen delikaten Lindenblütenduft, der die Sehnsucht nach der Leichtigkeit des Berliner Sommers weckt. Ebenfalls nicht verpassen: Calling all Angels, eine komplexe, dunkle Weihrauch-Kreration mit einem Touch von Honig.
BIEHL.PARFUMKUNSTWERKE: EINE GALERIE DER DÜFTE
Die Frage, ob Parfum Kunst ist, wird immer wieder diskutiert und hat irgendwie auch etwas damit zu tun, in welcher Sprache man sie stellt: Im Englischen ist die Frau aus dem Nagelstudio ein Nail Artist, im deutschen hängt die Messlatte ein bisschen höher. Da macht es Sinn, dass sich Thorsten Biehl, Gründer von Biehl.Parfumkunstwerke auf einige Hauptkriterien freier Kunst konzentriert, nämlich Qualität, limitierte Verfügbarkeit und größtmögliche Freiheit. In seine „Galerie“ lädt er Parfumeure aus aller Welt ein und gibt ihnen dabei vollkommen freie Hand. Thorsten trägt das Thema Parfum in seinen Genen: Sein Vater ist der renommierter Parfumeur Henning Biehl und auch Thorsten selbst ist seit mehr als 20 Jahren im Duft-Business, allerdings eher konzeptionell und beratend. Neben Vater Henning haben unter anderem Mark Buxton (Comme des Garçons, Le Labo, …) und Patricia Choux (Marc Jacobes, Carven, …) Kreationen beigesteuert. Als Einstieg empfehle ich al02 von Arturetto Landi (orientalisch-spicy mit Pflaume, Pfirsich, Nelke und Tokabohne) oder das aromatisch-würzige eo02 von Egon Oelkers (Grapefruit, Tanne, Thymian, Zeder). Mit der Kunstanalogie treibt es Thorsten Biehl aber glücklicherweise nicht zu weit, denn Kunst will oft verstören und ästhetische Grenzen überschreiten – und wer würde schon gerne einen Jonathan Meese um den Hals tragen?
SCHWARZLOSE: DER WIEDERGEBORENE KLASSIKER
Für diese Marke ist Berlin ein Heimspiel: 1856 wurde das Parfumhaus in der damaligen Hauptstadt Preußens gegründet und zählte im 19. Jahrhundert viele Royals und später die Berliner It-Girls der Roaring Twenties zu seinen Kunden. Nach dem 2. Weltkrieg geriet die Marke in Vergessenheit und wurde 1976 schließlich eingestellt. Zwei Parfum-Enthusiasten stießen 2012 in Archiven auf Schwarzlose-Werbeplakate und andere Artefakte und entschlossen sich, die Marke zu neuem Leben zu erwecken. Der Designer Lutz Herrmann hatte schon einige Erfahrung mit dem Thema: Bereits in den 80ern schuf er Flakon-Klassiker für Marken wie Davidoff oder Jil Sander. Ein echter Herrmann steht also in fast jedem deutschen Badezimmerschrank. Sein Kompagnon Tamas Tagscherer ist als Marketingexperte für die Positionierung des Labels zuständig. Gemeinsam mit der Parfumeurin Véronique Nyberg bemühen sich die beiden um eine Verschmelzung des Marken-Erbes mit Berlins heutigem Image als Hauptstadt des Neuen und Abseitigen. Dabei kommen spannende und intensive Düfte heraus mit Namen wie Zeitgeist, Trance oder Rausch. Besonders charmant: Treffpunkt 8 Uhr – Relaunch eines Schwarzlose-Klassikers, der das flirt- und liebesfreudige Berlin der 20er Jahre zum Thema hat und sinnliche Ingredienzen wie Mango, Ingwer, Safran und Grapefruit enthält.
Alle Fotos: © PR
Illustrationen im Titelbild: © Ann-Marie Groß
Dieser Artikel erscheint heute ebenfalls – in englischer Sprache – auf SCENTURY.
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Für den Creative Director und Markenberater Helder Suffenplan war das Thema Duft schon immer eine besondere Leidenschaft und zwar nicht nur das Parfum selbst, sondern auch die Geschichten drum herum, insbesondere die Verbindung von Geruch und Erinnerung. 2013 gründete er SCENTURY, ein Online Magazin für Perfume Storytelling.