Seit einigen Monaten gibt es in der Boxhagener Straße, dort wo die Wühlischstraße auf sie trifft, etwas Neues zu bestaunen: Ende August letzten Jahres eröffnete hier der Haferkater, in einem ehemaligen kleinen Eckimbiss kurz vor dem neu entstehenden Freudenberg-Areal, Friedrichshains neuem Gentrifizierungsprojekt. Hinter dem eigenartigen Namen des Cafés (Erklärung folgt!) steckt ein mehr als gut durchdachtes Konzept, das ganz zum Zeitgeist der modernen Gastronomie passt. Und das mit einem einfachen Getreide, das trotz seiner langen Tradition in unserer Kultur eher stiefmütterlich behandelt wird: Hafer. Brei. Schmeckt nach nichts? Isst man nur, wenn’s dem Magen schlecht geht? Falsch gedacht. Was alles im Hafer steckt wissen die Gründer vom Haferkater. Wir haben uns mit ihnen getroffen und über das Wundergetreide, gesunde Ernährung, Startups und Streetfood gesprochen, und warum Hafer und Kaffee dabei so wunderbar zusammen passen.
Meine erste Frage ist wahrscheinlich eine, die ihr ständig hört, aber ich frage mich das schon die ganze Zeit: Was ist denn ein Haferkater?
Leandro: „Ja, um den Namen sofort zu verstehen, muss man sich schon ein bisschen auskennen mit Haferbrei. Oder Porridge, wie es in Großbritannien heißt. Dort kommt dieses Gericht nämlich ursprünglich her, genauer gesagt aus Schottland. Es war das typische Arbeiteressen, leicht zu machen, günstig und wirklich nahrhaft und kräftigend. Genau das, was man an einem anstrengenden Arbeitstag eben braucht. Es gab damals tatsächlich auch sogenannte porridge drawer in einigen Kommoden, in denen wurde der Porridge gelagert und wenn man wollte, konnte man einfach ein paar Scheiben davon abschneiden. Wir sind aber auf den Namen gekommen, weil Porridge auch als Mittel gegen Kater gilt, Energie gibt und einen schnell wieder fit macht.“
Ich erinnere mich daran, dass es früher bei meinen Großeltern oft Haferbrei gab, aber eigentlich nur, wenn jemand Magenprobleme hatte. Es gilt nicht gerade als ein besonders beliebtes Gericht hierzulande, oder? Warum habt ihr euch gerade den Haferbrei als Grundlage ausgesucht?
Leandro: „Ich habe das als Kind auch immer so mitbekommen. Allerdings habe ich dann längere Zeit als Student in London gelebt und dort oft Porridge gegessen. London ist teuer, da war es ein bezahlbares Frühstück, das lange vorhält. Und mit den richtigen Zutaten schmeckt es toll. Eigentlich hat jeder etwas davon, Porridge für sich zu entdecken. Es ist ein Gericht, das auf Fragen der heutigen Gesellschaft antwortet. Allerdings nur, wenn es auch richtig zubereitet wird, und das probieren wir hier im Haferkater.“
Was meinst du mit einem Gericht, das auf Fragen unserer Gesellschaft antwortet?
Leandro: „Heute gibt es viele Menschen, die sehr auf ihre Ernährung achten. Entweder weil sie vegetarisch oder vegan leben, oder weil sie mehr als nur Genuss von ihrer Ernährung erwarten. Wir bereiten den Porridge bei uns nur mit gefiltertem Wasser zu, er besitzt überhaupt keine Zusatzstoffe, über die man sich Gedanken machen muss. Wir verwenden ausschließlich Produkte, über die wir genau Bescheid wissen und wir optimieren das auch immer weiter. Gerade haben wir zum Beispiel einen neuen Ahornsirup als Topping für unseren Knusperkater über einen befreundeten Importeur bekommen, der ihn direkt aus Kanada holt. Und den Unterschied schmeckt man!“
Was steckt genau hinter dieser Gründlichkeit, was die Auswahl eurer Produkte angeht?
Levin: „Das fängt beim Hafer an. Wir holen die frischen Körner von einem Bioland Bauernhof, den wir mit großer Sorgfalt ausgesucht haben. Und dann mahlen wir den Hafer hier unmittelbar vor der Zubereitung selbst. So hält man alle Nährstoffe, denn Haferflocken sind nur wirklich kräftigend, wenn sie frisch gemahlen wurden. Hafer kann man da ganz gut mit Kaffee vergleichen, der entfaltet auch nur seinen ganzen Geschmack, wenn die Bohnen kurz vor dem Aufbrühen gemahlen werden. Der richtige Umgang mit Kaffee, der auch die Third Wave in der Speciality Coffee-Kultur bestimmt, war da für uns ein wichtiger Einfluss.“
Das musst du kurz genauer erklären. Was genau ist die Third Wave?
Leandro: „Der Umgang mit Kaffee hat sich in den letzten Jahren ja grundlegend geändert, das merkt man hier in Berlin besonders. Es gibt immer mehr kleine Röstereien, die ihren eigenen Kaffee verkaufen. Das Spannende dabei ist, dass die Röster genau wissen, von welcher Farm ihre Bohnen kommen und solange bis der Kaffee über die Ladentheke geht, jeden Schritt in der Produktion genau verfolgen. Die Second Wave beschreibt vor allem Starbucks und Co. Die Third Wave-Bewegung folgt darauf und ist ständig auf Verbesserungen und mehr Transparenz aus, will den Kunden mit dem Kaffee auch eine ganz besondere, einzigartige Qualität bieten. Es gibt so viele unterschiedliche Röstereien, so viel unterschiedlichen Kaffee, weil jeder eigene Standards setzt und auch die Produktion sich je nach Farm ändert. In Berlin gibt es viele tolle Röstereien und Third Wave Cafés, wie zum Beispiel auch Kaschk oder Tres Cabezas. Wir persönlich haben uns nach langem Suchen und Ausprobieren für den Kaffee von The Barn entschieden, den man seit Kurzem bei uns zum Hafer bekommt. Für alle, die sich für Speciality Coffee und die Ursprünge interessieren gibt es einen guten Film, der heißt A Film About Coffee.
Und diese Art und Weise der Zubereitung des Kaffees habt ihr auf den Hafer übertragen?
Leandro: „Genau, so kann man das sagen. Wir wiegen die Portionen zum Beispiel ganz genau ab und rösten die Flocken selbst. Da sind wir aber auch noch am Anfang, jedenfalls suchen wir noch nach der besten Röstmethode. Aber das ist gut so, wir wollen eigentlich nie aufhören und sagen: „Jetzt haben wir den optimalen Porridge.“ Dass wir hier in Berlin ständig Neues kennenlernen ist toll und wir entwickeln viele neue Ansätze. Es gibt so viele Menschen, die sich mit Gastronomie, Slow Food, Street Food und so beschäftigen und wir stehen hier in Berlin noch ganz am Anfang. Wir wussten zu Beginn zum Beispiel gar nicht, dass was wir machen auch Street Food ist. Jemand aus der Markthalle Neun hat uns darauf gebracht, jetzt haben wir dort sogar einen Stand beim Breakfast Market und verkaufen Porridge Shots, also kleinere Portionen, die dem Konzept der Markthalle entsprechen. So lernen wir irgendwie ständig neue Leute kennen, die uns weiterbringen und denen wir vielleicht auch etwas zurückgeben können. Das ist wirklich einmalig in Berlin.“
Das klingt so, als wusstet ihr zu Beginn gar nicht genau, ob ihr mit eurem Konzept Erfolg haben würdet, ob es bei den Leuten ankommen würde, vor allem was die Akzeptanz von Porridge als leckeres, gesundes Essen angeht. Wie hat das geklappt?
Leandro: „Wir hatten keine Ahnung wie es laufen würde, wir waren nur überzeugt, dass Porridge dem Zeitgeist entspricht. Und wir wurden nicht enttäuscht. Wir haben so viele unterschiedliche Kunden und das zeigt, dass der Porridge ein echt vielseitiges Gericht ist. Da sind zum Beispiel Sportler, die sich einen Haferkater nach dem Workout holen, Eltern mit Kindern, die sich gesund ernähren möchten, Berufstätige, die sich ein Glas als Frühstück mit ins Büro nehmen oder auch einfach Menschen, die neugierig sind. Die Berliner sind auch sehr ehrlich was Kritik angeht und sagen sofort, wenn ihnen etwas nicht gefällt oder verbesserungswürdig ist. Uns hilft das sehr und wir freuen uns darüber, immer mehr bekannte Gesichter wieder bei uns zu sehen.“
Zu guter Letzt, was sind eure Lieblings-Menüs?
Levin: „Der Apfelkater ist einer unserer Klassiker und mein persönlicher Favorit. Wir machen unser Apfelmus selbst, das ist das besondere daran. Dazu Walnüsse und Zimt und das Menü ist komplett. Und auch den Bärenkater sollte man probieren. Mit Gojibeeren, Maulbeeren und Cranberries ist der total gesund und lecker. Gesüßt wird er nur mit Honig. Wir haben aber auch viele Menüs, die mit den Jahreszeiten wechseln, es gibt also immer etwas Neues zu entdecken bei uns.“
Fotos: © Marie von der Heydt (1,2,3,5) / © Haferkater (4,6)
Haferkater – Das volle Korn im Glas
Boxhagener Str. 76-78
10245 Berlin-Friedrichshain
Öffnungszeiten: Mo-Fr 08-16h, Sa-So 09-17h
www.facebook.com/Haferkater