Die eigenen vier Wände sind ein Rückzugsort, eine Oase der Ruhe. Nirgends sonst können wir so sehr wir selbst sein und für eine Weile alle Masken des Alltags fallenlassen.
Psychologen gehen sogar noch einen Schritt weiter und bezeichnen das Zuhause eines Menschen als den Spiegel seiner Seele. Wie wir unsere Umgebung gestalten, soll Hinweise darauf geben können, was uns im Inneren beschäftigt. „Unsere Wohnung erfüllt bestimmte Bedürfnisse für uns“, erklärt Wohnpsychologin Dr. Barbara Perfahl im Gespräch mit dem SWR, „und wir sind einfach unterschiedlich gestrickt. Beim Wohnen bildet sich so ein bisschen die innere Struktur ab. Wenn ich sehr strukturiert bin, dann ist die Wohnung auch oftmals eher geradlinig, strukturiert und aufgeräumt. Wenn ich eher das kreative Chaos im Kopf habe, dann sieht man das manchmal auch in den Wohnungen.“
Von bestimmten Wohntypen ist in der Psychologie die Rede und viele Menschen können sich mit einem Schmunzeln oder auch einem überraschten Augenbrauenlupfen in den Beschreibung wiederfinden. Es kann etwas ungemein Wohltuendes haben, sich in einem Wohntyp wiederzufinden und seinen Einrichtungsstil so daran anzupassen, dass ein Zuhause für Körper und Seele entsteht. Oft entsteht das Zusammenspiel auch eher unbemerkt und als eine Art schleichender Prozess. Wir finden Gefallen an Möbeln, Stoffen, Dekoelementen und schaffen intuitiv eine Wohnumgebung, in der wir uns wohlfühlen und entspannen können. Dass dadurch ein Einrichtungsstil entstanden ist, der einen Wohntyp widerspiegelt und damit eine psychologische Aussage trifft, mag rückblickend überraschen.
Und wie passt der Gedanke vom passenden Einrichtungsstil für den Wohntypus zu den bekennenden Individualisten unter uns? Wie wohnen Menschen, die sich leidenschaftlich gerne ausleben, die sich frei entfalten möchten und jede Art von Schublade scheuen? Oder wie lässt sich der Wohntyp verwirklichen, wenn mehrere sehr unterschiedliche Menschen sich einen Rückzugsort teilen? Wenn sich Gegensätze in einer Partnerschaft beispielsweise anziehen und ideal ergänzen können, wie lässt sich das Prinzip auf das gemeinsame Zuhause als Spiegel der Seele anwenden? Es muss also mehr geben als das harmonische Zusammenspiel aus Wohntypen und Einrichtungsstilen. Gibt es auch. Einrichtungsmix ist total im Trend und ein Fest für alle, die ihre Individualität auch beim Einrichten so richtig ausleben möchten.
Einrichtungsstile lieben – und mischen
Wenn es um Einrichtungsideen geht, haben sich verschiedene Stilrichtungen entwickelt, die in Eirichtungshäusern, Showrooms und Zeitschriften vorgestellt werden. Sie sind gekennzeichnet durch ein bestimmtes Lebensgefühl oder einen Zeitgeist, haben nicht selten regionale und kulturelle Einflüsse und können einen bestimmte Atmosphäre einfangen und in den eigenen vier Wänden zum Ausdruck bringen.
Wer sich das Gefühl der letzten Urlaubsreise in den sonnigen Süden mit nach Hause nehmen möchte, ist mit einem mediterranen Einrichtungsstil gut beraten. Im skandinavischen Stil zieht die Hygge mit ein und im Kolonialstil prägen ein Hauch von Luxus und der exotischen Schönheit Afrikas, Südamerikas oder Asiens die Einrichtung. Rustikal gemütlich wird es im Landhausstil, einem zeitlosen Klassiker. Retro und gleichzeitig total angesagt ist der Shabby Chic. Der Industrial Style überzeugt durch moderne Schlichtheit und leicht futuristische Züge und eignet sich vor allem für große Wohnbereiche mit Loft-Charakter.
Die Vielfalt an Einrichtungsstilen ist riesig und jeder findet das Ambiente, das zum eigenen Lebensgefühl passt. Und wenn das Ich so viel mehr ausmacht, als Landhaus, Industrial oder Shabby Chic ausdrücken können? Dann geht es zum Glück auch ganz ohne einheitlichen Einrichtungsstil. Individualisten, Pragmatiker und all jene, denen eine Stilberatung völlig egal ist, solange sie sich in den eigenen vier Wänden rundum wohlfühlen können, gestalten ihr Zuhause nach eigenem Gusto, ohne einen Namen für das Ergebnis zu brauchen. Was dabei entsteht, ist ein freier Mix aus verschiedenen Stilen, eine individuelle Wohlfühlzone, in der alles Platz findet, was Zuhause ausmacht.
Der Stilmix als Ausdruck der Persönlichkeit
Einrichtungsstile zu vermischen, ist beliebt. Mit dem Wunsch, die eigene Persönlichkeit auszuleben und sich zu verwirklichen, steigt auch die Sehnsucht nach einem Einrichtungskonzept, das genau das widerspiegelt. An die Stelle einer durchdesignten Wohnung wie aus dem Einrichtungskatalog tritt der Wohnraum als Leinwand, auf dem alles verewigt werden darf, was glücklich macht.
Den Anfang dieser Trendwende hin zum Stilmix machte der Boho-Style. Der Bohemian-Look geht zurück auf einige Künstler und Intellektuelle im Paris des 19. Jahrhundert. Sie wollten der steifen Etikette und den gesellschaftlichen Normen des Bürgertums den Rücken kehren und ihre Individualität auch in materiellen Dingen zum Ausdruck bringen. Daraus entstand ein Einrichtungsstil, der vor allem durch unkonventionelle Kombinationen besticht und viele Elementen zu einem ungezwungenen und doch harmonischen Gesamtbild kombiniert. Der Mix als Stilelement ist im Boho-Style schon stark vertreten.
Der moderne Trend zum Einrichtungsmix geht noch weiter und kombiniert Stilelemente aus verschiedenen Epochen, Kulturen, Regionen und Einrichtungskonzepten zu einem einzigartigen Wohnambiente, das die Persönlichkeit seiner Bewohner nach außen trägt. Einen Namen hat der Trend natürlich längst. Einrichtungsexperten sprechen vom eklektischen Wohnstil und lehnen die individuelle Einrichtung an den Begriff des Eklektizismus an, der im 19. und 20. Jahrhundert in der Architektur und Kunst sowie in der Geisteswissenschaft und im Historismus bereits Verwendung fand.
Im Einrichtungsbereich meint der eklektische Stilmix eine individuelle Gestaltung von Wohnräumen, die sich an einzelnen Möbelstücken oder Dekoelementen orientiert und diese bewusst in Szene setzt. Ein häufig genutztes Element im individuellen Stilmix sind gebrauchte Möbel, die eine eigene Geschichte erzählen. Ein lieb gewonnenes Erbstück aus dem Nachlass der Großeltern, ein Schmuckstück vom Antiquitätenhändler oder der Schatz, der auf dem Flohmarkt das Herz im Sturm erobert hat. Mit gebrauchten Möbel zieht immer ein Stück Persönlichkeit im eigenen Zuhause ein.
Harmonisch durch Individualität
Wer seine eigenen vier Wände bewusst im Stilmix kreiert, setzt meist auf eine Kombination aus schlichten Einrichtungselementen, die sich variabel kombinieren lassen und individuellen Einzelstücken, die eine emotionale Bedeutung haben oder eine Geschichte erzählen. Auch einzelne Designerstücke als Punkstück sind häufig Teil eines Stilmixes. Die übrige Einrichtung dient als Rahmen für das Kunstwerk, als eine Art Leinwand, auf der das Schmuckstück in Szene gesetzt werden kann.
Meist entwickelt sich ein harmonischer Stilmix im Raum um ein Herzstück herum. Das kann beispielsweise ein hochwertiger Tisch sein, der im Zentrum des Esszimmers oder der Wohnküche platziert wird und der sich durch seine Optik hervorhebt. Eine Möglichkeit besteht darin, von Designern kreierte Tische gebraucht zu kaufen und sie zum neuen Prunkstück im eigenen Zuhause zu machen. Beim Antiquitätenhändler, auf Flohmärkten oder bei Möbelhändlern, die sich auf die Vermittlung von besonderen Einzelstücken spezialisiert haben, sind solche Herzstücke zu finden. Die übrige Einrichtung wird häufig eher schlicht gewählt, damit das besondere Stilelement glänzen darf.
Im Wohnbereich wird gerne ein Sitzmöbel als Zentrum gewählt. Eine besondere Couch, ein antiker Sessel oder etwas ähnliches lenkt den Blick auf sich und lässt den Raum individuell wirken. Als individuelle Elemente eignen sich nicht nur Möbelstücke, sondern auch Textilien in Kombination mit Möbelstücken. Eine handgefertigte Decke aus dem Urlaub in Mexiko macht aus der schlichten Couch ein Einzelstück. Dasselbe gilt für den Teppich aus Indien, der die Geschichte von einer ganz besonderen Reise erzählen kann. Eine Mischung aus schlichten Grundelementen und farbenfrohen oder stilistisch hervorstechenden Einzelstücken sind typisch für einen individuellen Stilmix. Wie viele besondere Elemente erforderlich sind, um Atmosphäre zu schaffen, hängt von der Raumgröße und der Größe des Einrichtungselementes zusammen. In kleinen Räumen kann ein einzelnes Stück mit seinem Flair das ganze Zimmer füllen. In großen Räumen kann ein Zusammenspiel aus mehreren Elementen oder aus einem Möbelstück und unterstreichenden Dekorationsartikeln denselben Effekt erzielen.
Den Stilmix erfolgreich inszenieren
Bei aller Individualität gibt es auch bei einem Stilmix ein paar Kniffe, die ein harmonisches Gesamtbild schaffen.
Der erste Trick besteht darin, mit sich wiederholenden Farbakzenten zu arbeiten. Selbst ein noch so zufällig und willkürlich wirkender Mix aus Epochen, Stilrichtungen, Größen und Formen erhält eine Art roten Faden, wenn sich hier und da farbige Tupfer aus demselben Farbschema oder in demselben Farbton wiederfinden. Dadurch wird ein gemeinsames Thema aufgegriffen, das den unterschiedlichen Einrichtungsstücken einen Zusammenhang verleiht und Harmonie kreieren kann.
Ein Stilmittel, das die Einrichtungsprofis anwenden, um einen eklektischen Einrichtungsstil zu inszenieren, ist das so genannte Partnerprinzip. Es besagt, dass ein harmonisches Gesamtbild entsteht, wenn jedes Stilelement der Einrichtung einen Partner aus derselben Epoche oder Stilrichtung im Raum findet. Die Entsprechung kann im Einrichtungsstil, dem Farbton, der Epoche oder dem Material bestehen, sofern die gemeinsame Eigenschaft dem Betrachter ins Auge fällt und somit ihre Wirkung entfalten kann. Mit dem Partnerprinzip wirkt jedes noch so ausgefallene Einrichtungsstück so, als habe es seine Daseinsberechtigung und als habe der Raum nur darauf gewartet, ihm ein Zuhause zu geben.
Ein Stilmix kann den eigenen vier Wänden sehr viel Persönlichkeit verleihen und Individualität ausstrahlen. Wer sich nicht für einen einzelnen Einrichtungsstil entscheiden möchte, weil er sich in so vielen Varianten wiederfindet, kann mit dem Stilmix sein eigenes Ambiente kreieren, das dem Ich ein Zuhause gibt und die vielfältigen Facetten der eigenen Persönlichkeit widerspiegelt.