Zugegeben: „Abmahngate“ ist eigentlich schon ein alter Hut. Immerhin wurde „Der Fall Vreni Frost“ bereits im Juni von allen Medien und Blogs ausreichend behandelt. Ich melde mich erst jetzt zu dem Thema, da ich erst seit Kurzem Teil dieses ganzen Spektakels bin. Und es begann alles mit einem Brief, den ich von einer ominösen Hamburger Anwaltskanzlei F. erhielt. Die ganze Geschichte und meine Gedanken zum Abmahngate…
Ich arbeite seit vier Jahren als Bloggerin. Ich betreibe Instagram seit knapp zwei Jahren. Und seit jeher habe ich werbliche Beiträge, für die ich Geld erhielt, sichtbar gekennzeichnet. Ich hielt es, wie es alle großen Redaktionen halten: Bezahlte Werbung wird gekennzeichnet. PR-Samples aber, die man entweder als Bloggerin oder als Redakteurin kostenfrei ins Büro geschickt bekommt und die dann eine Erwähnung ein einem redaktionellen Artikel finden, können – müssen aber nicht – als Werbung gekennzeichnet werden. So habe ich es als Redakteurin in einem der größten europäischen Verlagshäuser gelernt.
Abmahngate: Für Blogger gelten strengere Regeln als für Verlage
Das ist Gang und Gäbe in Verlagen. Doch offensichtlich gelten für Blogger und so called Influencer andere Regeln. Strengere Regeln, um genau zu sein. Wenn ein Magazin fröhlich die „Beauty Must Haves für den Winter“ vorstellen kann und „zufälligerweise“ unter anderem Yves Saint Laurent-Produkte vorstellen und ebendiese Marke „zufälligerweise“ in eben diesem Magazin ein paar Seiten weiter eine großflächige Anzeige geschaltet hat, ist das rechtlich in Ordnung. Wenn eine Mikro-Influencerin aber selbstgekaufte Produkte auf ihrem Instagram-Kanal präsentiert, die Marke vertaggt, jedoch kein Geld erhalten hat, wird sie verklagt – und verliert vor Gericht.
Der Fall Vreni Frost
So geschehen bei Vreni Frost. Kurz der Fall geschildert: Ende März dieses Jahres erhielt Vreni eine Abmahnung vom Verband Sozialer Wettbewerb. Der Vorwurf: Drei nicht als Werbung gekennzeichnete Instagram-Post mit Direktverlinkungen zu Marken. Der Abmahnung folgte wenige Wochen später eine Vorladung vor Gericht. Die Produkte waren von Vreni selbst gekauft. Vreni zog vor Gericht. Und verlor.
Die Begründung: Vreni Frost weckt mit ihrem Posting Interesse ihrer Follower. Sie ermöglicht durch Verlinkung einen leichteren Produktabsatz für den Hersteller. Wegen der Accountgröße von mehr als 50.000 Followern handelt es sich nicht um eine private Handlung. Als „nicht unbedeutende Influencerin” sind Produktpräsentationen von Vreni Frost auch dazu geeignet, Unternehmen auf sich aufmerksam zu machen und das Interesse an konkreten Geschäftsbeziehungen zu wecken. Der Instagram-Account wird außerdem als geschäftlich angesehen, da Vreni Frost in einem Interview angab, dass das Einzige, was man auf ihrem Blog nicht sehe, private Bereiche sind, die sie nicht ins Internet tragen möchte. Vreni beschäftigt zudem für ihren Blog andere Personen: Fotografen, Projektmanager und noch ein paar andere Freelancer. Sie ist also Geschäftsfrau.
Der Fall Frieda Hintze
Soweit. So einleuchtend. Dennoch ist die Abmahnwelle gegen Blogger und Instagrammer absurd – und unfair. Und das sage ich in aller Vehemenz. Auch, weil es mich selbst betrifft. Vor einigen Wochen erhielt ich von einer zwielichtigen Anwaltskanzlei ein Schreiben. Ich wurde abgemahnt, für ein Posting, das Anfang 2018 – also VOR der Urteilssprechung gegenüber Vreni Frost – entstand. Der Vorwurf: Ich verlinkte eine Marke auf einem Pulli und kennzeichnete den Beitrag nicht als Werbung. Dabei erhielt ich für das Posting gar kein Geld. Das Absurde: Die aufgeführte Mandantin, für die mich diese Kanzlei stellvertretend abmahnte, hatte ich noch nie gesprochen, nie getroffen, ich stand nie mit ihr in Kontakt. Es handelt sich um eine Kleinunternehmerin aus Frankfurt am Main, die einen kleinen Online-Shop für spottbillige und wie ich finde geschmacklose Kleidung betreibt. (So viel Offenheit erlaube ich mir, ich hoffe mich mahnt keiner ab). Ihr Online-Shop ist noch nicht einmal auf Instagram vertreten. Dennoch war die Begründung in dem Schreiben, dass sich diese Mandantin wettbewerbsrechtlich im Nachteil sieht, weil ich andere Marke (die im Übrigen hochwertige, nachhaltige Mode produziert) verlinkt habe. What?!
Abmahnwelle? Kanzleien verdienen damit viel Geld
Mit diesem Procedere können Kanzleien wie Mandanten derzeit sehr viel Geld machen: Besagte Anwaltskanzlei aus Hamburg hat sich nämlich wie ich später herausfand auf Abmahnungen spezialisiert. Und sie macht ein dickes Geschäft damit. Derzeit suchen derartige Kanzleien gezielt nach Influencern und Bloggern, und seien sie noch so klein und unbedeutend, die sie abmahnen können. Finden sie ein Opfer, treten sie erst an potentielle Mandanten heran. Und beide Parteien verdienen. Die Leidtragenen: kleine, mittelständische Blogger und Influencer.
Ich suchte mir ebenfalls einen Anwalt auf. Die Trantüte riet mir, in Anbetracht der derzeitigen rechtlich nicht abgesicherten Lage, die Unterlassungserklärung zu unterschreiben und die Gebühr von vielen hundert Euro (ich möchte nicht ins Detail gehen) zu bezahlen. Zähneknirschend fügte ich mich nach einem hitzigen Schriftwechsel meinem Schicksal. Konnte es aber dann doch nicht lassen, noch bei der Kanzlei anzurufen und ihnen persönlich zu sagen, wie unerhört ich deren Vorgehen finde und dass sie Geld auf dem Rücken „des kleinen Mannes“ verdienen. Hans Fallada lässt grüßen!
Jetzt ist alles Werbung? Und die Grenzen verschwimmen…
Unerhört ist aber auch Folgendes: Nämlich die Tatsache, dass man auch nachträglich für Postings abgemahnt werden kann, die nachweislich vor dem eigentlichen Aufkommen des Falls Vreni Frost und vor der Urteilssprechung gepostet wurden. Ich wurde rückwirkend abgemahnt. Überspitzt gesagt: Alles verjährt im deutschen Rechtssystem: Nur Mord nicht. Und: Ach ja. Instagram-Postings. Wow!
Zudem stehen Blogger und Influencer jetzt vor einem ganz neuen Problem. Panisch und im vorauseilenden Gehorsam werden nun alle Postings als Werbung gekennzeichnet. Nur: Damit wird einerseits das Geschäfts der Influencer und Blogger, wo es ja um „persönliche Empfehlungen“ und „Authentizität“ geht, untergraben und komplett ausgehebelt. Und zudem ist echte Werbung in dem ganzen Strudel gar nicht mehr erkennbar. Sprich: Die Grenzen zwischen Werbung und keiner Werbung verschwimmen.
Mir fehlt hier die Augenhöhe und das faire Bewusstsein, das wir uns in einer rechtlichen Grauzone befinden. Schön wäre es auch, wenn das Telemediengesetz an der einen oder anderen Stelle digital angepasst wird. Denn mal ehrlich: Blogs und Instagram gibt es nicht seit gestern. Influencer Marketing ist längst ein gängiges Feld des Marktings. Und dennoch gibt es keine rechtlich verlässliche Grundlage für die Kennzeichnung von Werbung! Weil die Mühlen der deutschen Behörden mal wieder unfassbar langsam mahlen.
Offensichtlich müssen wir Blogger, wir Onliner, wir Content Creator, wir Instagrammer uns das Bewusstsein und die Akzeptanz als Schaffer redaktioneller Inhalte wieder erkämpfen. Einziger Trost: Das ist für mich wahrlich nichts Neues. Bis dahin kennzeichne ich alles als Werbung, bevor mir wieder eine Abmahnung ins Haus flattert. Also: FYI. Louise et Hélène ist eine Dauerwerbesendung. Mir tut es selbst im Herzen weh.