Buchtipp | Simone Lappert Wurfschatten – Sehnsuchtsort Aquarium

von | Jul 26, 2015 | Allgemein, Lifestyle

Wurfschatten Simone Lappert
Ada hat Angst. Angst vor dem Leben und Angst vor dem Tod. Denn Ada wird sterben, schon sehr bald, das glaubt sie zu wissen. Also überprüft sie, zopfkauend und mit zittrigen Händen, immer wieder mit ihrem Stethoskop, ob ihr Herz noch schlägt. „Hörst du, es schlägt noch“, sagt sie zu sich selbst. Ada, eigentliche Adamine, tapeziert ihre Wand mit ihren Ängsten von A bis Z, mit Großaufnahmen von Attentaten und Röntgenbildern von Zysten. „Therapiezimmer“ nennt sie das. Hier verbringt sie Stunden. Doch es hilft alles nichts. Denn Ada ist gefangen in ihren erdachten Krankheiten, führt ein Leben zwischen Sehnsüchten und Angststarre.

Wurfschatten von Simone Lappert: vom Nichtvorwärtskommen und erfundenen Sterben

Davon erzählt Simone Lappert in ihrem Debütroman Wurfschatten: „Ihre Angst war wie das Krebsgeschwür dort vor ihr, das im Verborgenen immer neue Metastasen bildete, und die Therapietapete eine stets lückenhafte Dokumentation der Ängste, die sie befielen.“
Ada ist Schauspielerin. Und wohl auch keine schlechte. Sie hat Talent. Deswegen glauben ihre Freunde die erfundenen Geschichten, wenn Ada erzählt, ihr Therapiezimmer sei ihr persönlicher Proberaum, weswegen er nicht betreten werden darf. Sie flunkert über mögliche Theater-Engagements in der Zukunft, die es eigentlich gar nicht gibt. Denn seit ihrem Abschluss lässt sie Vorsprechtermine platzen und hält sich mit Jobs über Wasser. Sie hat Geldsorgen, die aber nur bedingt existenziell sind. Ada gibt sich ihrem Nichtvorwärtskommen, ihrem erfundenen Sterben, hin. Ein recht bequemer Zustand: Denn Ada bemüht sich kaum, etwas an ihrer Situation zu ändern und lässt die Zeit dahinfließen: „Sie fragte sich, ob eine Zigarette jetzt helfen würde, vielleicht dachte sie, vielleicht hilft das Klicken des Feuerzeugs und das Knistern der Glut: eine Handvoll zu tun für sieben Minuten, immerhin.“

Herr Gott, stell dich nicht so an – denkt man als Leser

Sorgfältig und leicht melancholisch beleuchtet Simone Lappert das Leiden von Ada, wo Scheiben zum Sinnbild unsichtbarer Grenzen und Aquarien zum Sehnsuchtsort werden: „Sie atmete tief durch, und ihr Kopf füllte sich mit gleichmäßigem Rauschen. Jetzt war sie da unten, im gefilterten Wasser, ein Fisch unter Fischen. Und einen Moment lang gedächnislos genug, um sich keine Sorgen zu machen.“ Die Welt da draußen und die Welt in Ada – es sind zwei voneinander getrennte Welten.
Manches Mal ärgert man sich als Leser und denkt: „Herr Gott noch einmal, stell dich nicht so an!“. Ada ist jung, gesund und gebildet: Die Last ihrer Angst dient ihr als griffbereite Ausrede vor sich selbst, für ihr müdes Scheitern, das sie sich selbst zuschreiben müsste. Es wird nie ganz klar, woher Adas Angst kommt. Vielleicht hat es etwas mit der Mutter zu tun. Vielleicht auch nicht. Die Autorin lässt Interpretationsspielraum. Es ist auch egal.

Wurfschatten von Simone Lappert: die Sprache macht Freude

Frisch und unberührt wirkt manches sprachliche Bild, das Lappert mit ihren Sätzen zeichnet: „Sie rückte ihr Federhütchen zurecht und mit dem Hütchen die Worte im Mund.“ Die Autorin hat ihr Handwerk gelernt, studierte Literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut. Vor ihrem Debütroman verfasste sie Lyrik.
Ebendiese Fähigkeit der Autorin, poetische Sätze für alltägliche Situationen zu finden („Sie (…) maß maß die verstrichene Zeit in Zigarettenstummeln“), rettet Wurfschatten in Teilen darüber hinweg, dass die Geschichte im Wesentlichen eine wenig überraschende Liebesgeschichte ist. Denn was Ada wiederum rettet, ist ein Mann. Durch Juri, dem Neffen ihres gutmütigen Vermieters, gerät Ada zunächst in Bedrängnis, dann in Bewegung, ihre Starre löst sich. Der Leser gewinnt den läppischen Eindruck, dass Adas Angst mit der Liebe zu einem Mann überwindbar ist. Juri fasst es ebenso läppisch zusammen: „Eigentlich müsste es Zukünfte heissen“, sagt er. „Dann wären wir alle viel entspannter.“
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Simone Lappert. Wurfschatten. Roman. Erschienen bei Metrolit. 207 Seiten.
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Friederike HintzeFriederike Hintze, oder lieber Frieda, gründete gemeinsam mit Marie von der Heydt den Blog Louise et Hélène. Seit vielen Jahren arbeitet sie als freie Journalistin und Bloggerin im Lifestyle-Bereich. Frieda liebt guten Wein und gute Bücher,  ist am Liebsten unter Freunden oder an der Küste – oder beides – und geht gerne Laufen. Wenn sie für sich ist, guckt sie mehr oder minder heimlich Unter Uns. Und zwar seit der ersten Folge.

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